Peugeot-Oldtimer-Freunde Rhein-Main

31ème Bourse d´Èchanges Lipsheim 2012

22./23. September 2012

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Verzweiflung ?

Du wohnst in Deutschland und fährst einen alten Peugeot ?

Das Gesicht des jungen Mitarbeiters am Service-Schalter Deines Peugeot-Autohauses um die Ecke, zu dem Du naiverweise gleich nach dem Erwerb Deines Fahrzeuges hingegangen bist, um mal zu gucken, was „die“ noch so an Ersatzteilen für Dein 35 Jahre altes Auto auf Lager haben, hast Du noch genau in Erinnerung als Du damals nach Ersatzteilen für Deinen Peugeot 404 fragtest.

Du weißt auch noch, dass dieser junge Mann etwas von „Microfiche-Gerät im Keller“ murmelte und auch, dass er Dich zu korrigieren versuchte und darauf beharrte, dass Du ja wohl den Peugeot 406 meinen würdest. Hoffnunglos.

Die Veterama ist für Dich immer schon nach 1 Stunde beendet, da Du hier (und auch sonst noch nie auf einem Deutschen Oldtimer Markt) Ersatzteile für Dein/e betagtes/n franz. Automobil/e gefunden hast und der eine Händler, vorne rechts in der Ecke, Deine Teile auch in diesem Jahr nicht führt?

Du quälst Dich mit Online-Auktionen rum ? 1.2.3. Jemand anderes hat 50 Cent mehr geboten?

Du telefonierst Dich mit Deiner Callya Karte durch die Gegend von Argentinien bis Neuseeland, um Teile für Deinen Wagen zu finden ? …und bist manchmal der Verzweifelung nahe?

Dann wäre es doch toll, wenn es irgendwo eine Veranstaltung im Heimatland der Peugeots gäbe, vielleicht nicht allzuweit von Deutschland weg, wo man nach Herzenslust nach Ersatzteilen stöbern könnte und um vielleicht den ein oder anderen Schnapp zu machen.

Schlaraffenland !

Dieses Schlaraffenland gibt es: Ein kleines Dorf im Elsass in der Nähe von Strassburg, nur rund 20 km von der deutschen Grenze entfernt und seit über 30 Jahren der legendäre Ort für Ersatzteile rund um französische Altfahrzeuge: Der Oldtimer Flohmarkt in Lipsheim.

(für die Französisch sprechenden: „Bourse D’Echanges Lipsheim“ [zu deutsch (nicht sehr vielsagend): „Lipsheimer Warenbörse“]

Ich habe das Raunen um Lipsheim seit Jahren immer wieder vernommen. Leider habe ich es in den letzten Septembern seit 1999 irgendwie nie geschafft, mir vor Ort selbst ein Bild zu machen und vielleicht auch das ein oder andere Teil einzukaufen.

Musste ich auch nicht. Die wenigen Teile, die meine zuverlässigen Fahrzeuge in den letzten Jahren benötigt hatten, habe ich mir auf die Schnelle von den einschlägigen Ersatzteilhändlern per Post schicken lassen – andere Teile, die man für „Pebble Beach“ unbedingt hätte austauschen müssen, sind nach wie vor an Ort und Stelle und gammeln vor sich hin. Ich will eh nicht nach „Pebble Beach“.

Jetzt im Sommer hat sich meine Situation aber grundlegend geändert: Eine Neuanschaffung braucht eine Rundumkur: Neue Dichtungen, neue Bremsen (Sicherheit geht vor), das ein oder andere Verschleißteil, kurz: Die Liste mit benötigten Ersatzteilen ist (erschreckend) lang. Also: Auf nach Lipsheim !

Paradies ! 

Sehr viele Informationen über den Flohmarkt im sagenumwobenen Lipsheim konnte man in den einschlägigen Quellen nicht finden: Samstag und Sonntag, 22. und 23. September, Beginn am ersten Tag um 11:00 Uhr, Lipsheim/Elsass. Punkt.


Der Plan war, in der Nähe von Lipsheim zu übernachten, um die 2 Veranstaltungstage in aller Ruhe zu geniessen. 2 Wochen vorher in Lipsheim und Umgebung war leider kein Zimmer mehr frei – in Offenburg, gleich an der Grenze in Deutschland gab es aber noch Hotelzimmer. 25 km Anfahrt sollte kein Problem sein.

Am Samstag bin ich dann gegen 11:00 Uhr in Lipsheim angekommen. Ohne Navigation fährst Du ab Offenburg in Richtung der französischen Grenze und ziemlich stur in Richtung Westen. Irgendwann ist Lipsheim dann mal ausgeschildert. Lipsheim ist ein kleines Dorf.
Die Ersatzteilbörse in Lipsheim ist zwar nicht toll ausgeschildert (handgemalte Schilder, die Du im ersten Moment nicht entdeckst) – wenn Du Dich aber in Richtung Ortsmitte [Lipsheim Centre] orientierst (oder den anderen nachfährst), wirst Du über kurz oder lang von den Organisatoren der Veranstaltung in Richtung eines abgemähten Ackers geleitet, wo Du nach Bezahlen von 6 Euro pro Person, hingeleitet wirst.


Vergiss es in den Seitenstrassen parken zu wollen – um die 6 Euro pro Person kommst Du nicht drumherum und der Acker zum Parken ist auch nicht sehr weit vom Gelände entfernt. Ruhig bleiben und vor allem versuchen, nicht um 11:00 anzukommen (wie ich) sondern tendenziell eher um 8:00 Uhr.

Offiziell geht es zwar erst um 11:00 los – die (meist privaten) Anbieter auf dem Markt reisen schon ab Freitag abend an und die allermeisten übernachten in ihren Fahrzeugen, Wohnwagen oder Zelten. Ab 08:30 sind die meisten Stände sicher aufgebaut und Du kannst schon mal entspannt über das Gelände schlendern.

Sehr empfehlenswert ist es – insbesondere, wenn es in der Nacht zuvor geregnet hat –, Gummistiefel oder wasserdichte Wanderstiefel anzuziehen. Acker, Wiese, Gelände usw. sind nach Regen sehr ! matschig. Die Profis, die schon mehrfach da waren, entdeckt man direkt an ihrem Equipment.

Auch empfehlenswert: Rucksack oder Bollerwagen, um Deine Schätze transportieren zu können (Platz im Kofferraum lassen – bei grösseren Planungen Hänger !) und kleine Geldscheine. Am besten nicht zu wenige davon.

Wenn Du Interesse an PKW-Gebrauchtfahrzeugen hast, ist es hier eher dünn. Es werden zwar PKWs angeboten – aber nicht die Masse. Ganz im Gegensatz zu Motorrädern, Mofas, Solexe, Fahrräder etc. – die gibt es hier massenhaft. Die Balance zwischen den Händlern, die PKW bzw. Motorradersatzteile anbieten ist ausgewogen – es ist etwas stärker die PKW Fraktion präsent.

Wenn Dein Fahrzeug älter als 25 Jahre ist, darfst Du übrigens auf das  Gelände auffahren und parkst etwas näher auf einem speziell für Oldies vorgesehenen Parkplatz. Die meisten Fahrzeuge dort stehen deshalb nicht zum Verkauf sondern parken einfach nur dort.

Auf dem Gelände selbst ist auffallend, dass extrem viele Scheinwerfer, Rückleuchten etc. angeboten werden – vermutlich sind diese einfacher zuzuordnen und zu transportieren als kleine, kniffelige Teile oder Sperriges. Ansonsten: Alles was das Herz von Fahrern eines alten, französischen Fahrzeugs begehrt: Neue, schön eingepackte und beschriftete Teile, alte NOS-Teile, total versiffte und „nutzlose“ Teile, die einfach in den Matsch geschmissen wurden bis hin zu nahezu nobel präsentierten Raritäten hinter Glas.

Manche Händler sind hochspezialisiert: Einer hat eine 100 m² Stand mit Karosserie-Dichtungen, ein anderer hat sich voll und ganz Vergaser-Reparatur-Sets verschrieben, einer macht nur Brems- und Kupplungsbeläge, ein anderer bietet überholte Kühler an.

Viele Händler sind semi-professionell vor Ort, andere sind einfach Privatleute, die nur einmal im Jahr für Lipsheim ihre Ersatzteile aus ihren Garagen räumen. Bei PKW Teilen geht es zu 90% um Peugeot, Citroen und Renault Teile. Ersatzteile für Amis, deutsche, englische oder italienische Fahrzeuge sind eher selten.

Irritation

Du solltest wissen, was Du suchst. Ich hatte zwar eine Liste und Ersatzteilkataloge mit dabei – allerdings gibt es viele Kistchen, Kästchen und Plastiktütchen mit Ersatzteilen, die nur die Ersatzteilnummern von Bendix, Marshall oder Gerling tragen – wenn überhaupt. Kennst Du diese Nummer nicht, wird’s aufwendig. Du brauchst zu viel Zeit, um rauszufinden, ob der Kisteninhalt irgendwas mit Deinem Auto zu tun hat. Oder Du hast ein fotografisches Gedächtnis und erkennst zB den benötigten Bremszylinder durch bloßes Angucken.

Weisst Du was Du suchst, kannst Du wunderbare Schnäppchen machen: Neuwertige Stossstange für den 204: 60 Euro, Kühlergrill mit Emblem zwischen 10 und 50 Euro, 4 Zündkerzen 1 Euro, 5 Euro für Vergaser-Reparatursatz, Niegelnagelneuer Solex 32 Vergaser: 70 Euro. Neuer 204 Kühler: 100 Euro. (Die Superschnäppchen verrate ich hier aber nicht).

Teilweise wissen die Händler aber auch genau, wie selten die Teile sind, die sie dabei haben. Mir wurde der hintere Kotflügel für das 204 Cabriolet als NOS-Teil für 700 Euro angeboten.

Vieles was ich eigentlich gebraucht hätte, habe ich übrigens nicht gefunden. Das das so sein wird, war mir schon nach 1 Stunde klar – man sollte das alles nicht zu ernst sehen und nicht zu verbiestert sein.

Savoir vivre !

Essen und Trinken  stehen hier – wir sind ja hier im Elsass – insbesondere bei den Ausstellern absolut im Vordergrund. Man hat den Eindruck, dass viele Ersatzteil-Stände eher als Alibi für ein Männer-Wochenende aufgebaut worden sind und es den „Händlern“ eher ums Grillen, Trinken, Feiern und Leute treffen geht und weniger um´s Teile verkaufen. Einige haben mir auch gesagt, dass es ihnen reicht, wenn sie den Standplatz und den Sprit umsetzen und dass sie den Teilehandel in der Tat nicht so ernst sehen.


Vermutlich macht genau das die einzigartige Atmosphäre dieses  Marktes aus – man ist extremst entspannt, verständigt sich (im Falle dass man des Französischen nicht mächtig ist) mit Händen und Füssen – man hilft sich gegenseitig beim Übersetzen und hat einfach Spass.

Ach noch was: Mit Deutsch kommt man im Elsass schon weiter – allerdings sprechen viele der Händler, die von etwas weiter herkommen, nur Französisch. Entweder geht’s Du also noch schnell in die VHS, nimmst Dir bei Deinem Besuch einen Sprachkundigen mit oder versuchst es halt mit Handzeichen.

Ich habe eine Peugeot-Freund beobachtet, der mangels franz. Sprachkenntnisse, einer Gruppe von Franzosen mit Hilfe von Zeichen und Körpersprache (erfolgreich) klargemacht hat, dass er schon seit über 25 Jahren nach Lipsheim kommt und er früher mit der Schubkarre von Nord-Deutschland nach Frankreich gefahren ist. Selbst die Ironie bei „Schubkarre“ hat er mit erfolgreicher Gesichtsmimik perfekt rüber gebracht. Geht also auch so.

Am zweiten Tag der Bourse  musst Du nicht (wie ich) schon um 07:30 Uhr auf dem Markt eintreffen, 08:00 Uhr reicht. Aber nicht später. Um diese Zeit kriechen dann verkaterte, unterkühlte Händler aus Ihren Pritschenwagen, Kombis und Wohnmobilen, kochen sich einen Kaffee am Wagen und putzen sich am Stand die Zähne. Wie gesagt: Die meisten Händler schlafen in ihren Fahrzeugen und haben am Samstag gefeiert. Da viele am Sonntag wieder irgendwo in Frankreich nach Hause fahren müssen, werden sie am Sonntag ab 14:00 Uhr schon nervös und beginnen ihre Devotionalien einzupacken.

Also bitte nicht auf die Idee kommen, Sonntags mal gemütlich um 12:00 Uhr in Lipsheim einzulaufen. Um diese Uhrzeit ist die Messe schon gelesen.

Auch in Frankreich gilt: Früher Vogel fängt den Wurm.

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